Benno Pludra

Personenfoto: Benno Pludra

1925 in Mückenberg/Niederlausitz geboren, stammte aus einer Arbeiterfamilie. Nach den Stationen Handelsmarine (1942) und einem Kurs als Neulehrer (1946) studierte er in Halle und Ost-Berlin mehrere Semester Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Von 1950 bis 1952 war Pludra Redakteur der Rundfunkzeitung in Ost-Berlin. 1951 beteiligte er sich am 2. Preisausschreiben zur Förderung der sozialistischen Kinderliteratur, das vom Ministerium für Volksbildung veranstaltet wurde. Sein Wettbewerbsbeitrag, die Erzählung Ein Mädchen, fünf Jungen und sechs Traktoren war zugleich seine erste Buchpublikation auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur. Pludra hat über 40 Kinder- und Jugendbücher verfasst. Für sein kinder- und jugendliterarisches Schaffen wurde er in der DDR mehrfach ausgezeichnet; u.a. erhielt er 1966 den Nationalpreis für Kunst und Literatur. Nach der Wende wurde seine Erzählung Siebenstorch 1992 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Kinderbuch ausgezeichnet. Am 27. August 2014 ist Benno Pludra in Potsdam verstorben.

Jurybegründung

Benno Pludra ist seit nahezu einem halben Jahrhundert eine unverwechselbare, maßgebliche Stimme in der deutschen und in der internationalen Kinder- und Jugendliteratur. Mit seinem Roman Tambari (1969) hat er sich in den Rang eines Klassikers hineingeschrieben. Zugleich repräsentiert er durch sein Schaffen wie kein anderer die Kinder- und Jugendliteratur der DDR von ihren Anfängen (1951 - die DDR war gerade zwei Jahre alt - erscheint sein erstes Jugendbuch) bis weit über das Ende dieses Staatswesens und besonderen Kulturraumes hinaus. Er repräsentiert diese Kinder- und Jugendliteratur aber nicht einfach durch die Kontinuität seiner Produktion, sondern in ihren besten Möglichkeiten und Ausformungen: als Prozess eines Sich-Frei-Schreibens von anfänglichen ideologischen Verengungen und Einseitigkeiten zu einer Souveränität und Poetizität seiner Texte, die allerdings nie die Erdung in ihrem Entstehungs- und Wirkungsraum verlieren. Die bezwingende Kraft seiner Naturschilderungen, die Natur stets zum mitbedeutenden und mithandelnden Raum erheben, gibt davon eindrückliches Zeugnis.

Heimat und Natur sind überhaupt ein entscheidendes ästhetisches und thematisches Konzept der Kinder- und Jugendbücher Pludras; jenseits aller Provinzialität - diese Heimat liegt innerhalb eines Welthorizonts. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Schauplätze vieler wichtiger Texte Pludras die Meeresküste Mecklenburgs, also der Ostsee und ihrer Boddenlandschaft sind - eines Binnenmeeres mit Öffnung ins Weite.

Das an die 40 Titel umfassende kinder- und jugendliterarische Gesamtwerk des Erzählers Pludra ist von beeindruckender Vielseitigkeit und umfasst von Bilderbuchtexten für Kinder im Vor-Lesealter über Erstlesetexte bis hin zum Kinder- und Jugendbuch, von der märchenhaft-phantastischen bis zur realistischen Problemliteratur alle wichtigen Genres der Kinder- und Jugendliteratur. Es steht zu hoffen, dass diese Werke in Zukunft wieder frei zugänglich sind, von denen die Mehrzahl derzeit leider vom Buchmarkt verschwunden ist. Zu den herausragenden Qualitäten Pludras gehört es, dass er in seinen Texten auf ebenso differenzierte und sensible wie durch ihre ungewöhnliche Sprachgebung "aufweckende" Art Kinderleben als vor allem inneres, unerhörtes Drama zu gestalten weiß. Diese Texte leben nicht zum Wenigsten daraus, dass sie Partei ergreifen für kindliches und jugendliches Selbst- und Eigensein-Wollen, für das Recht, in Suchbewegungen Individualität zu erproben oder besser zu wagen, auch und gerade dort, wo die Umgebung, wo die Erwachsenen und ihre Ordnung sich dagegen stellen.

Pludras Sympathie gehört unverkennbar den Schwachen und den Außenseitern. Ihre Ängste und Träume entfaltet er immer wieder in seinen Büchern, ohne dass er je in eine Form von Sozialromantik verfiele. Dazu sind seine Erzählungen - vor allem die für ältere Kinder und Jugendliche - zu wirklichkeitsgesättigt. Dabei lässt er seine Figuren gerne träumen von Aufbruch und Ferne, eine zumeist innerlich bleibende, auf begrenztem Aktionsraum (sehr DDR-spezisch) stattfindende Bewegung, die immer auch etwas mit dem Wunsch, zu sich selbst zu kommen, zu tun hat. So gelingen ihm eine ganze Reihe von Kinderfiguren (Lütt Matten, Jan Töller, Jessika oder Maika), die zu den beeindruckendsten in der zeitgenössischen deutschen Kinder- und Jugendliteratur gehören.

Benno Pludra versteht sich als Anwalt seiner jungen Leser, der ihnen ohne pädagogisch aufgesetzten Gestus, allein vermöge der Kraft der Erfindung seiner Geschichten und der sprachlichen Meisterschaft den Wert von Idealen nahe zu bringen versteht. In diesem Sinne hat er seinen Beitrag zu einer - anderen - emanzipatorischen Kinder- und Jugendliteratur im deutschen Sprachraum geleistet.

Dabei hat er sich aus einem Erzähler mit zunächst durchaus affirmativem Gestus hinsichtlich der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR (Ein Mädchen, fünf Jungen und sechs Traktoren, 1951, oder Die Jungen von Zelt 13, 1953) bereits im Lauf seines ersten Schaffensjahrzehnts zu einem poetischen Realisten und so stillen wie engagierten Humanisten ganz eigener Prägung entwickelt: Die Welt seiner Gegenwartserzählungen baut er zu einem je spezifischen Symbolraum aus, der aber bei aller poetischen Eigenständigkeit stets auch erkennbare Beziehungen zu den Bedingungen des "real existierenden Sozialismus" unterhält, ohne diesem das Wort zu reden.

In seinen Erzählungen ist - und das macht einen Teil ihrer bezwingenden Eigenart aus - nichts Modernistisches, Aktualistisches. Sie sind aber von ihrem für Konflikte offenen Kindheitsbild und ihrer Probleminszenierung her durch und durch zeitgenössisch. Im erzählerischen Duktus klar und eindringlich, kindlichem Verständnis offen und dieses fördernd; von zurückhaltendem, lakonischem Humor. Zugleich auf faszinierende Weise vielschichtig - hintergründig, ja tiefsinnig (ohne darüber schwer zu werden). Sie sind das Produkt einer einzigartigen Mischung aus stilistischer Einfachheit, bis zur Sprödigkeit reichender Nüchternheit und höchster sprachlicher Meisterschaft, poetischer Ökonomie der symbolischen Verdichtung, wie sie in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur des 20. Jahrhunderts ihresgleichen sucht.

Mit seinen in hohen Auflagen verbreiteten, geliebten und viel gelesenen Büchern übte Pludra nicht nur in der DDR einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf die Lesesozialisation und die literarische Bildung vieler junger Menschen aus.

Die Zuerkennung des Sonderpreises des Deutschen Jugendliteraturpreises an Benno Pludra ehrt in ihm den Schöpfer eines Gesamtwerkes, das zu den eigenwilligsten und bedeutendsten der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der letzten 50 Jahre zählt.

Sonderpreisjury 2004
Heide Germann
Dr. Ina Nefzer
Prof. Dr. Rüdiger Steinlein

 

Auszeichnung des Jugendliteraturpreises

Bücher

Bibliografie

Lieferbare Titel:
Bootsmann auf der Scholle (1959). Berlin: Der Kinderbuchverlag 2004
Heiner und seine Hähnchen. Mit Illustrationen von Ingeborg Meyer-Rey (1962). Weinheim: Der Kinderbuchverlag 2004
Das Herz des Piraten. Mit Illustrationen von Jutta Bauer (1985). Weinheim: Beltz & Gelberg 2004
Lütt Matten und die weiße Muschel. Mit Illustrationen von Werner Klemke (1963). Weinheim: Der Kinderbuchverlag 2004
Die Reise nach Sundevit. Mit Illustrationen von Hans Baltzer (1965). Weinheim: Der Kinderbuchverlag 2004
Siebenstorch (1991). Weinheim: Beltz & Gelberg 2004

Nicht mehr lieferbare Titel:
Aloa-hé (1989). Hamburg: Carlsen 1991
Insel der Schwäne (1980). Berlin: Der Kinderbuchverlag 1998
Jakob Heimatlos (1999). Berlin: Der Kinderbuchverlag
Die Märchen (1994). Berlin: Der Kinderbuchverlag
Tambari (1969). Berlin: Der Kinderbuchverlag 1997
Wie die Windmühle zu den Wolken flog (1981) Erlangen: Boje 1989
Zum Fluss hinunter, wo die Schiffe ziehn. Mit Illustrationen von Barbara Schumann (1989) Freiburg: Herder 1991

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