Treffpunkt Weltzeituhr
Isolde Heyne (Text)
Jurybegründung
Isolde Heyne beschreibt in ihrem Jugendbuch ein Mädchen, das vier Jahre nach der ungewollten Verbringung in die Bundesrepublik, auf einer Klassenfahrt nach Berlin noch einmal diese Zeitspanne überdenkt und all die Probleme, die sich aus ihrer Umsiedlung ergaben: der Verlust der Freunde, die fremde Mutter, die neue Umwelt, die Enttäuschung über die Wiederbegegnung mit Freunden aus der DDR in Jugoslawien. In Erwartung eines Wiedersehens mit ihrer liebsten Freundin aus dem...
Isolde Heyne beschreibt in ihrem Jugendbuch ein Mädchen, das vier Jahre nach der ungewollten Verbringung in die Bundesrepublik, auf einer Klassenfahrt nach Berlin noch einmal diese Zeitspanne überdenkt und all die Probleme, die sich aus ihrer Umsiedlung ergaben: der Verlust der Freunde, die fremde Mutter, die neue Umwelt, die Enttäuschung über die Wiederbegegnung mit Freunden aus der DDR in Jugoslawien. In Erwartung eines Wiedersehens mit ihrer liebsten Freundin aus dem DDR-Kinderheim gewinnt alles Erlebte noch einmal neue Bedeutung. Sie hofft auf ein glücklicheres Wiedersehen mit ihrer alten Freundin Tutty. Unter der Weltzeituhr am Alexanderplatz finden Inka und Tutty sofort zueinander und wissen, diese Freundschaft wird über die Grenzen hinweg Bestand haben. Inka freut sich auf die Heimkehr und das Wiedersehen mit der Mutter. Sie weiß nun: die Mutter braucht sie. Die Tatsache, daß die Mutter arbeitslos geworden ist, hat in Inka ein Verantwortungsbewusstsein für sie geweckt, das zum Wandel des beiderseitigen Verständnisses entscheidend beiträgt. Alte Briefe und Fotos füllen für Inka eine Lücke in ihrer Erinnerung: Nun ist sie nicht mehr eine Wurzellose, sondern ein Mensch mit Bindungen und mit einer Vergangenheit. Das Buch ist nicht nur ein politisches Zeugnis einer schwierigen Gegenwart und der speziellen deutschen Situation, es ist der Autorin auch gelungen, literarisch ausgewogen auf zwei zeitlichen Ebenen Vergangenes mit Gegenwärtigem zu verknüpfen. Vor uns entrollt sich das Schicksal eines jungen Menschen, dem die deutsche Teilung vieles genommen hat und der sich mit Recht zurückgesetzt, verlassen und belogen fühlen muss, sobald er sich seiner Situation bewußt wird. „Leben kann man überall" folgert die Autorin, aber man braucht Menschen, die zu einem stehen, man kann nicht ohne soziale Bindungen - und nur schwer ohne das Wissen um den eigenen Ursprung - sein Schicksal meistern.