Mirjam Pressler

Personenfoto: Mirjam Pressler

1940 in Darmstadt geboren, studierte Malerei an der Akademie für Bildende Künste in Frankfurt und Sprachen in München und lebte für ein Jahr in einem Kibbuz in Israel. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat heiratete sie und bekam drei Töchter, die sie nach der Scheidung von ihrem ersten Mann alleine großzog. Sie arbeitete in verschiedenen Jobs, unter anderem führte sie ihren eigenen Jeansladen. Schließlich begann sie als freie Autorin und Übersetzerin zu arbeiten. Heute lebt Mirjam Pressler in Landshut bei München.

Bereits für ihren ersten Jugendroman Bitterschokolade wurde sie 1980 mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Seitdem hat sie beinahe 50 Werke für Kinder und Jugendliche verfasst. 1995 erhielt sie für Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen den Deutschen Jugendliteraturpreis sowie den Züricher Kinderbuchpreis. Darauf folgten viele weitere, unter anderem die Carl-Zuckmayer-Medaille für Verdienste um die deutsche Sprache (2001), der Deutsche Bücherpreis für Malka Mai (2002) und der Deutsche Bücherpreis für ihr literarisches Lebenswerk.

1983 bot man ihr die Bearbeitung einer Rohübersetzung aus dem Niederländischen an. Obwohl sie der Sprache, nach eigener Auskunft, bis dahin nicht mächtig gewesen war, machte sie sich mit dem Wörterbuch in der Hand an die Arbeit. Seitdem sie mit ihrer Übersetzung von Anton Quintanas Paviankönig 1985 auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis stand, sind viele weitere Auszeichnungen für ihre Übersetzertätigkeit hinzugekommen. 1986 und 1988 wurde sie als Übersetzerin zusammen mit den Autoren Els Pelgrom und Joke van der Leeuwen ausgezeichnet. 1991 stand sie sogar mit vier von ihr übersetzten Büchern auf der Nominierungsliste. Mirjam Pressler verstarb am 16. Januar 2019 im Alter von 78 Jahren.

 

Jurybegründung

SONDERPREIS AUTOR 2010

Bereits für ihr Debüt Bitterschokolade erhielt Mirjam Pressler 1980 den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis. Sie profilierte sich damit als wesentliche Stimme einer antiautoritären Jugendliteratur. Es folgten Romane, die heute zu den Klassikern zu zählen sind und deren „beschädigte Kindheiten“ ihre Aktualität und Brisanz behalten haben.

Neben ihrem Engagement als Übersetzerin und damit als „Botschafterin“ einer internationalen Jugendliteratur entwickelte Mirjam Pressler ein breites Oeuvre, das Bilderbuchtexte und altersübergreifende belletristische Romane umfasst.

Mit Beginn der 90er Jahre erweiterte die Autorin ihren Blick auf jüdische Kindheiten während des Holocaust in Europa. Insbesondere im Leben und Werk der Anne Frank fand sie eine generationsübergreifende Symbolfigur. Die Beschäftigung mit ihren Tagebüchern und die Herausgabe der Briefe aus dem Familienumfeld (Grüße und Küsse an alle, S. Fischer 2009) half, Anne Frank der heutigen Lesergeneration nahe zu bringen und damit eine Ikonisierung aufzubrechen. Parallel dazu nutzte sie literarische Vorlagen und Stoffe der Weltliteratur, wie der Golem, der Kaufmann von Venedig oder die Ringparabel in Nathan der Weise, um sich mit literarischen Mitteln für eine kulturelle Völkerverständigung einzusetzen. Mit ihrem aktuellen Roman Nathan und seine Kinder, der aus unterschiedlichsten Figuren-Perspektiven historische Quellen lebendig macht und dabei immer das Gegenwärtige im Blick behält, wirbt Mirjam Pressler für die wohl zentralste Frage unserer Zeit: religiöse Toleranz.

Sonderpreisjury 2010

Dr. Roswitha Budeus-Budde (Vorsitz)
Prof. Dr. Otto Brunken
Robert Elstner

 

SONDERPREIS ÜBERSETZUNG 1994

Die Kinderliteratur in Deutschland kann sich glücklich schätzen, durch die Beiträge einer Reihe hervorragender Übersetzerinnen und Übersetzer berei­chert zu werden. Wie wichtig diese für die Entwicklung der Kinderliteratur sind, sieht man nicht zuletzt an den heute aus­gezeichneten Büchern: Es handelt sich ausnahmslos um Übersetzungen. Über­setzerinnen und Übersetzer von Kinder­literatur arbeiten oft im Verborgenen, eher selten werden ihre Taten ausrei­chend gewürdigt. Nun ist zum ersten Mal in Deutschland ein Preis gestiftet worden, der auf ihre sprachliche und literarische Leistung aufmerksam macht. Es gehört zum Wesen einer Preisvergabe, dass im­mer leider nur eine oder einer ihn erhal­ten kann. Die Entscheidung für das Gesamtwerk einer Übersetzerin oder ei­nes Übersetzers heißt deshalb auch, dass viele, die eine solche Anerkennung eben­falls verdient hätten, leer ausgehen müs­sen.

Mit der Arbeit von über zwanzig Übersetzerinnen und Übersetzern hat sich die dreiköpfige Jury näher beschäf­tigt. Wir sich dabei nach den folgenden Kriterien vorgegangen:

1. ein umfangreiches Gesamtwerk von niveauvollen Übersetzungen im Be­reich der Kinder- und Jugendlitera­tur,

2. ein möglichst breites Spektrum von Gattungen und Textsorten für ver­schiedene Adressaten innerhalb der Kinder- und Jugendliteraturleser­schaft, z.B. Bilderbücher, Erstlese­bücher, Kinderromane, Jugendro­mane, Sachbücher usw.,

3. die Erschließung von neuen Gattun­gen oder in Deutschland noch un­bekannten Literaturen. Es spielt also nicht nur die sprachliche sondern auch die literarische und kulturelle Leistung einer Übersetzerin/ eines Übersetzers eine Rolle.

4. Die sprachlich ästhetische Qualität der Übersetzungen.

Mirjam Pressler, die wir für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin ausge­zeichnet haben, erfüllte alle diese Krite­rien in hervorragender Weise. Sie hat mit ihren Übersetzungen die deutsche Kin­der- und Jugendliteratur um eine bedeu­tende Anzahl von Texten höchster Qua­lität bereichert, die als literarische Eigen­leistung durch diese Preisverleihung ge­würdigt werden. Sie hat den deutschen Lesern die israelische Kinder- und Ju­gendliteratur erschlossen, und für den niederländisch-flämischen Sprachraum sind es gerade Presslers Übersetzungen aus den letzten zehn Jahren, die dazu bei­getragen haben, dieser Literatur die ver­diente Anerkennung zu verschaffen.

Mirjam Pressler wurde 1940 in Darmstadt geboren; sie studierte Kunst und Sprachen in Frankfurt und München und lebte einige Zeit in einem Kibbuz in Israel. Ihre Laufbahn als Autorin und Übersetzerin fängt mit einer Kündigung an. 1979 wurde ihr nämlich der Jeans­laden gekündigt, mit dem sie den Lebens­unterhalt für sich und ihre drei Töchter verdient hatte – eine der glücklichsten Kündigungen für die deutsche Kinder- ­und Jugendliteratur, wie sich herausstell­te, denn ihr neues Arbeitsfeld war das einer Autorin und Übersetzerin. 1983 bot man ihr die Bearbeitung einer Roh­übersetzung aus dem Niederländischen an, einer Sprache, die sie bis dahin nach eigener Auskunft noch nicht beherrsch­te. Mithilfe eines Wörterbuchs und einer Grammatik machte sie sich ans Werk. Der Pavianhönzg von Anton Quintana, eine ihrer ersten Übersetzungen, landete sofort auf der Auswahlliste zum Deut­schen Jugendliteraturpreis. Unorthodo­xer kann man sich den Beginn einer Kar­riere als Literaturübersetzerin kaum vor­stellen. Das war die erste von vielen Aus­zeichnungen: 1986 war sie als Oberset­zerin von EIs Pelgroms Die wundersa­me Reise der kleinen Sophie und 1988 von Joke van Leeuwens Deesje macht das schon am Jugendliteraturpreis betei­ligt. Und auch dieses Jahr hat sie – zu­sammen mit Rund van der Rol und Rian Verhoeven – an einem der ausgezeichne­ten Bücher mitgewirkt: an dem Jugend­sachbuch Anne Frank.

Mit Anne Frank befasste sich Mirjam Pressler lange und intensiv, was schließ­lich zur Neuübersetzung der Tagebücher für eine erweiterte kritische Ausgabe führte. Dabei werden dem deutschen Lesepublikum zum ersten Mal auch die Stellen der Tagebücher präsentiert, die Annes Vater gekürzt hatte; dies und der einem jungen Mädchen angepasstere um­gangsprachliche Ton der Übersetzung öffnet den Weg für eine neue Anne ­Frank-Rezeption in Deutschland.

1990 trat der Alibaba Verlag an Mirjam Pressler heran und bat sie, als Herausgeberin und Übersetzerin ausge­wählter Kinder- und Jugendbücher aus Israel tätig zu werden. In ihrem Er­öffnungsvortrag für die Ausstellung „Be­gegnung mit Israel" im Literaturhaus Wien vor ein paar Monaten sprach Mirjam Pressler über die besondere Wichtigkeit dieser Übersetzungen: „Wo, wenn nicht in Übersetzungen – beson­ders aus der israelischen Literatur – kön­nen deutschsprachige Kinder und Ju­gendliche eine entkrampfte Begegnung mit Juden haben, mit Juden, die weder auf dem Sockel stehen, noch irgendwelche ganz besonderen' Menschen sind?". Zur besonderen Leistung der Übersetze­rin und Vermittlerin Mirjam Pressler ge­hört, dass junge deutsche Leser Bekannt­schaft nun auch mit liebenden, streiten­den, traurigen, komischen, neugierigen, glücklichen, eifersüchtigen, großzügigen usw. Juden machen können. Sie sorgt mit ihren Übersetzungen von Autoren wie David Grossman, Amos Oz, Nira Harel, Ruth Almog, Uri Orlev, Nurit Zarchi und anderen dafür, daß diese Literatur jetzt in einer faszinierenden Bandbreite in Deutschland zugänglich ist, wodurch vielleicht die von ihr erhofften ent­krampften Begegnungen' möglich wer­den können.

 

Seit 1983 hat Mirjam Pressler weit über 100 Bücher für Kinder und Jugend­liche aus dem Niederländisch-Flämi­schen, Hebräischen, Afrikaans und Ame­rikanischen übersetzt. Ihre Themenviel­falt ist beeindruckend. Historische Ereig­nisse - etwa der Aufstand im Warschau­er Ghetto in Uri Orlevs Der Mann von der anderen Seite, oder der Holocaust, eindringend, beklemmend und poetisch in Ida Vos' Tanzen auf der Brücke von Avignon, -

Adoleszenzprobleme und Kinderalltag gehören ebenso zu den von ihr bearbeiteten Themen wie alltäglicher Rassismus, Erfahrungen aus lernen Län­dern oder die Darstellung der schwieri­gen Beziehung zwischen Mutter und Tochter in Gila Almagors Sommer von

Aviha. Beeindruckend sind bei Mirjam Pressler das breite Spektrum literarischer Gestaltungsmittel, über das sie verfügt, und die scheinbare Leichtigkeit, mit der sie von einer Gattung in die nächste wechselt: von einer tiefgründigen Erstle­segeschiehte wie Wo ist Mia? von Bart Moevaert über einen komisch-phantasti­schen Kinderroman wie Joke van Leeu­wens Deesje macht das schon bis hin zu einem introspektiven Adoleszenzro­man wie Ed Francks Gegenwind.

Sie gestaltet immer von neuem Er­zählstimmen, die glaubhaft sind, und be­weist damit eine erstaunliche Variabili­tät. Mit einer Palette von sprachlichen Registern charakterisiert sie Protagoni­stinnen und Protagonisten in den ver­schiedenen Lebensstadien und an unter­schiedlichen Orten: sie meistert die schlichte und eindringliche Sprache in Liva Willems' Südamerika-Erzählung Manchmal bin ich ein Jaguar und zeigt sich der humorvoll-lakonischen Ich-Er­zählung in Selma Noorts Künstler Wilhelmus Poot küßt seine Enkelin oder der teils komisch-ironischen teils weh­mütigen Erzählstimme in Amos Oz' Sumchi ebenso gewachsen wie den sti­listischen Feinheiten von Bart Moevaerts symbolisch-poetischer Novelle Küss mich. Durch die Stimmenvielfalt, die Presslers Übersetzungswerk kennzeich­net, bewahrt jedes von ihr übersetzte Buch seine Unverwechselbarkeit.

Sonderpreisjury 1994
Dr. Jürgen Martini
Dr. Emer O'Sullivan
Nina Schindler

 

Auszeichnung des Jugendliteraturpreises

Bücher

Bibliografie

(alphabetisch mit aktuellster Ausgabe)

Auch Vampire können sich irren und andere Geschichten zum Gruseln
Arena 1994

Alle Geschichten von Jessi

Beltz & Gelberg 2006

Ben und Lena freuen sich auf Weihnachten

Loewe 2002

Ben und Lena gehen einkaufen

Loewe 1998

Ben und Lena gehen zum Arzt

Loewe 1999

Ben und Lena im Kindergarten

Loewe 2003

Ben und Lena und das Kätzchen

Loewe 1997

Bitterschokolade

Beltz & Gelberg 2010

Das Ding oder Der verflixte Diebstahl

Ellermann 2009

Die schönsten Erstlesegeschichten von Mirjam Pressler

Fischer Schatzinsel 2003

Die wundersame Reise des kleinen Kröterich

Mit Shabtai Yaakov

Illustriert von Wolf Erlbruch

dtv 2001

Die Zeit der schlafenden Hunde

Beltz & Gelberg 2009

Für Isabel war es Liebe

dtv 2006

Goethe in der Kiste

Rowohlt 1994

Golem stiller Bruder

Beltz & Gelberg 2009

Guten Morgen, Gute Nacht

Beltz & Gelberg 2010

Ich sehne mich so. Die Lebensgeschichte der Anne Frank

Beltz & Gelberg 2008

Jessi – Eine Sekunde nicht aufgepasst

Ravensburger 1995

Jessi und die Tante Dorothea

Ravensburger 1995

Jola und Nickel auf dem Bauernhof

Loewe 1995

Katharina und so weiter

Beltz & Gelberg 1994

Kratzer im Lack

Beltz & Gelberg 2008

Leselöwen-Geburtstagsgeschichten, Leselöwen-Geschwistergeschichten

Loewe 1994

Leselöwen-Gutenachtgeschichten

Loewe 1998

Malka Mai

Beltz & Gelberg 2010

Mirjam Pressler erzählt Geschichten

Beltz & Gelberg 2010

Mit Sarah und Simon durchs Jahr

cbj 2005

Nathan und seine Kinder

Beltz & Gelberg 2010

Neues von Jessi

Beltz & Gelberg 2000

Nickel Vogelpfeifer

Beltz & Gelberg 2010

Nora im Kaufhaus

Ravensburger 1995

Nora ist mal so, mal so

Alibaba-Verlag 1996

Novemberkatzen

Beltz & Gelberg 2009

Nun red doch endlich

Beltz & Gelberg 2004

Riesenkuss und Riesenglück

dtv 1994

Sarah und Simon

cbj 2004

Sarah und Simon spielen Schule

cbj 2006

Schattentier, tausch mit mir!

Beltz & Gelberg 2003

Schlaf gut, Nora

Ravensburger 1995

Sieben und eine Hex

Beltz & Gelberg 2001

Shylocks Tochter

Beltz & Gelberg 2010

Stolperschritte

Ravensburger 2009

überraschung für Timmi und andere Geburtstagsgeschichten

Loewe 1999

Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen

Beltz & Gelberg 2010

Wundertütentage

Beltz & Gelberg 2006

Zeit am Stiel

Beltz & Gelberg 1995

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